The Briefing

Ist unsere Generation süchtig nach Shoppen? 

Wir sprechen mit einem Psychologen und geben 9 Tipps für bewusstes Kaufen

Shoppen macht happy, aber muss Gen Z aufpassen, nicht unter XXL-Bestellungen begraben zu werden? Ein Psychologe erzählt, wann Kaufen problematisch wird und wie wir einander supporten können. 

July 7, 2022
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Lesezeit 2 min.

Mal ehrlich: Es gibt echt viele Videos von riesigen limitierten Sneaker-Sammlungen und “Hauls”. Ist so viel Shoppen normal? Und wenn ja, was macht das mit unserer Generation, die sich den Content jeden Tag ansieht? 

Shoppen ist ein Hobby

Shoppen ist schön. Egal ob im Store oder Online – manchen gibt Einkaufen das Gefühl, die Kontrolle zu haben, Glücksgefühle werden ausgelöst. Allein die Vorfreude auf einen potenziellen Kauf macht schon glücklich. Deshalb sind wir gerne auf Onlineshops unterwegs oder gucken Haul-Videos.

Shopping scheint als normales Hobby und Methode zur Emotionsbewältigung akzeptiert zu sein. Den meisten Menschen macht es Spaß, sich ab und zu etwas Schönes zu gönnen. Ab und zu …

Wenn aus Liebe zum Kaufen eine Sucht wird 

Wir sind zwar keine Psychologen, aber unser Freund Dominik schon. Er arbeitet bei Evermood und hatte schon ein paar Menschen mit problematischem Kaufverhalten in Behandlung. Wir fragen ihn: 

Wie entsteht Kaufsucht? 

“Sie entwickelt sich meist im Zuge einer anderen psychischen Erkrankung. Wenn sich Leute schlecht fühlen, weil sie vielleicht etwas Schlimmes erlebt haben, führt das zu Leidensdruck. Bei manchen entwickelt sich daraus ein Drang: ‘Ich kaufe mir was und es geht mir in dem Moment besser.’  Langfristig geht es einem aber schlechter, weil es oft negative Folgen gibt: Geld ausgeben, das man eigentlich nicht hat, Schulden anhäufen.”

Was sind Symptome für Kaufsucht?

“Ein Anzeichen für den Suchtbereich: Dass man trotzdem weiter kauft, obwohl all diese negativen Folgen drohen. Mit Freunden und Familie eventuell in Konflikt geraten, weil Geldprobleme entstehen. Ein weiteres Anzeichen: Sachen ohne Zweck kaufen, die dann nur im Schrank landen und nicht wirklich verwendet werden.”

Tipps gegen problematisches Kaufverhalten 

  1. Ursache erkennen: Wenn du aus Frust zum Kauf neigst, solltest du die Ursache für die negativen Gefühle bearbeiten.
  2. Keine “One-Klick-Buy” Apps auf dem Handy haben
  3. Dir immer klarmachen: Durch Sparangebote wirst du eingeladen, Geld auszugeben, bevor du überhaupt “sparen” kannst.
  4. Wenn du Shopping als Hobby siehst, suche dir eine sinnstiftende Freizeitbeschäftigung, an der du Spaß hast. 
  5. Zahle mit einer Karte, mit der du in Echtzeit sehen kannst, wie viel Geld du gerade ausgegeben hast – so sind Glücksgefühl und Rechnung nah bei einander. 
  6. Sei achtsam bei Rechnungs- oder Ratenkauf, damit du nicht den Überblick über deine Finanzen verlierst.
  7. Habe einen geordneten Finanzüberblick und trickse dich selbst aus, indem du dir limitierte Budgets setzt.
  8. Lasse zwei Freund*innen im Vorhinein bestätigen, dass du den Kauf wirklich brauchst. Würdest du es feiern, wenn das in der OWWN App geht?
  9. Setze dir einen Reminder in deiner Banking-App, damit du checkst, falls du diesen Monat in deiner Guilty Pleasure Kategorie zu viel Geld ausgegeben hast. Stay tuned!

Und was hat unsere Generation damit zu tun? 

Für uns ist alles verfügbar

Jede Person kann online 24/7 einkaufen – teilweise auch extrem günstig.

Stimmt, andere Altersklassen wissen zwar auch, wie man auf Amazon und Zalando shoppt. Aber kennen deine Eltern den Hashtag #tiktokmademebuyit? Speziell für unsere Generation wird auf Social Media sehr viel Marketing betrieben.

Psychologe Dominik erklärt außerdem: “Man bleibt anonym und muss nicht in einen Shop gehen, wo es vielleicht unangenehm wäre, dass die Verkaufenden einen wiedererkennen. Diese Anonymität und dauerhafte Verfügbarkeit macht es Menschen mit Kaufproblem nicht einfacher.”

Von allem muss es viel geben

Unsere Generation ist in einem Zwiespalt: Auf der einen Seite ist es durch Social Media normalisiert, viel zu kaufen. Auf der einen Seite ist so viel Bewusstsein für nachhaltigen Konsum da, wie noch nie – und viele Marken werben damit. 

Es gibt also Leute, die beispielsweise zwar Secondhand kaufen, davon aber viel zu viel Zeug, dass sie eigentlich gar nicht brauchen. Andersherum designen Fast Fashion Marken ihre Klamotten im “wasted look”

Auf TikTok posten viele ihre XXL Ausbeute

Schulden sind trendy

Dominik: “Manche haben heute ein anderes Verständnis von Schulden. Der TikTok “Buynowpaylater”-Trend vor ein paar Monaten zeigt das. Es gibt Bubbles, in denen Menschen scheinbar mit ihren Schulden angeben oder es irgendwie cool ist, kaufsüchtig zu sein. Nach dem Motto: ‘Ich habe wieder so viele neue Schuhe gekauft – ich bin so kaufsüchtig’. In früheren Generation waren Schulden ein rotes Tuch.”

Ist Gen Z jetzt kaufsüchtig oder nicht?

Dominik: “Gen Z ist anfälliger. Problematisches Kaufverhalten kann inzwischen leichter ausgelebt werden. Auf der anderen Seite können sich Menschen anders finanziell bilden. Das hat großen Einfluss. ‘Wie lerne ich auf gute Weise, mit Geld umzugehen? Auch das ist ein Feld mit viel Verbesserungspotenzial.” 

“Glücklich ist, wer wenig kauft.” Stimmt das? 

Dominik: “Ich würde sagen, wer glücklich ist, kauft bewusster. Wenn man glücklicher ist, neigt man eventuell nicht dazu, Impulskäufe zu machen, um damit negative Gefühle zu kompensieren.”

Dominik Jourdan, 35 Jahre, ist Psychologe und Psychotherapeut und hat viel Erfahrung im klinischen Bereich und in Praxen gesammelt. Jetzt ist er bei Evermood und berät Mitarbeitende und Führungskräfte bei beruflichen und privaten Anliegen, mit der Vision, ein attraktives Arbeitsumfeld für alle zu schaffen.

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